Taschen für die Ewigkeit

Nachhaltigkeit und Mode – zwei Größen, die man nicht so wirklich im gleichen Atemzug nennen kann. Denn „Fast Fashion“ wird noch von vielen Menschen favorisiert. Günstige, schnell ersetzbare Mode, meist produziert in Asien unter menschenunwürdigen Bedingungen und mit hochgiftigen Materialien, die Mensch und Umwelt belasten. Bis sie dann in unsere Geschäfte kommt, hat sie schon den halben Globus umrundet – wieder eine Umweltbelastung. Höchste Zeit also, umzudenken. Doch nachhaltige Mode hat irgendwie immer noch den Touch von „Jesus-Latschen“ und Jutesäcken. 

Es geht aber auch anders. Dass nachhaltige Mode durchaus stylish sein kann, beweist Tikiwe® mit seinen Taschen aus Kork. Das junge Label hat sich Nachhaltigkeit ganz groß auf die Fahne geschrieben und trotzdem sind die Produkte modisch, chic, bunt und gut durchdacht. 

Nachhaltig schön - Taschen von Tikiwe

Wer steckt hinter Tikiwe®, was hat es mit dem exotisch klingenden Namen auf sich und wie kam es zu der Idee, Taschen aus Kork zu produzieren? Um Antworten auf diese und noch viel mehr Fragen zu bekommen, bin ich in das schöne Haag in Oberbayern gefahren, wo das Label seit Kurzem seinen Sitz hat.

Irene Kirchhoff und ich

Gründerin und Designerin Irene Kirchhoff ist eine Frau, die in keine Schublade passt. Und so ist es auch nicht überraschend, dass sie mit Tikiwe® in keine „normale“ Wohnung gezogen ist, sondern im ehemaligen Haager Amtsgerichtsgefängnis residiert. 

„Das Licht ist hier gut und außerdem habe ich genug Platz“, antwortet sie pragmatisch auf meine Frage, warum sie ausgerechnet diesen Ort gewählt hat. Viele Freunde hätten ihr abgeraten, hier einzuziehen, erzählt sie, während sie mir Kaffee einschenkt. Sie meinten, das Karma könne doch nicht gut sein. „Doch es war ja kein Zuchthaus, hier saßen „nur“ Kleinkriminelle ein.“ 

Original-Zellentür - zwei davon gibt es in Irenes Wohnung

Für Irene Kirchhoff ist es ein Ort der Inspiration, genauso wie ihre neue Heimat. „Haag ist eine einzige Inspiration für mich“, sagt die gebürtige Münchnerin, die mittlerweile bekennende Haagerin ist. Auch der Blick aus ihrem Wohnzimmerfenster inspiriert sie. Von hier sieht man den Schloßturm, der mit dem davor stehenden Baum tatsächlich ein Gesicht zu haben scheint. „Dieser Turm ist wie mein Kumpel, wir tauschen uns aus“, sagt Irene, „Haag und meine „Knastwohnung“ erden mich und das ist enorm wichtig für meine Kreativität.“

Wie kam Irene auf die Idee, mit Kork zu arbeiten? „Das war Zufall“, sagt sie. Schon als Kind war sie kreativ, liebte Farben und Formen. Eigentlich wäre sie gerne Goldschmiedin geworden, was jedoch nicht klappte. So absolvierte sie eine Ausbildung in der Uhren- und Schmuckbranche. Der Vertrieb wuchs ihr auch ans Herz, sagt Irene. Doch irgendwann fühlte sie sich ausgebrannt, schmiss ihren Job und fuhr in Urlaub. Dort wollte sie eigentlich zur Ruhe kommen und sich neu sortieren. Weil es im Leben aber keine Zufälle gibt (siehe weiter oben), entdeckte sie bei einem Streifzug durch den Urlaubsort Korkwaren im Schaufenster und war sofort fasziniert. Kork und Irene – Liebe auf den ersten Blick! 

Doch bis zur Gründung von Tikiwe® war es noch ein langer Weg. Im November 2016 begann Irene, zu recherchieren und den Markt auszuloten, fasste sich schließlich ein Herz und meldete im Februar 2017 ein Gewerbe an. „Ich habe damals aber nur Handelsware verkauft und mir immer gedacht, 'Das will ich auch machen'“, sagt Irene. „Natürlich hatte ich auch ein bisschen Angst, weil ich ja viel Geld investieren musste in Materialien und Produktion“, meint sie rückblickend. „Irgendwann dachte ich mir aber 'Das machst du jetzt einfach' und so habe ich meine Handelsagentur in das Label Tikiwe® umgewandelt.“ Zum Glück, denn sonst wären uns die ganzen tollen Entwürfe vorenthalten geblieben.

Was bedeutet Tikiwe® eigentlich? Irene lacht. „Ich habe einfach einen Namen gesucht, der noch nicht vergeben war. Das war gar nicht so leicht. Schließlich habe ich an meine Philosophie gedacht und dass ich etwas Nachhaltiges kreieren will. Da fiel mir fiel „Ewigkeit“ ein. Rückwärts geschrieben ohne „E“ und „G“ blieb Tikiwe®“.

Natürlich ist es als junges Label nicht ganz einfach. „Es geht alles Schritt für Schritt“, sagt Irene. „Mit dem Verkauf des einen Modells finanziere ich die Produktion des nächsten.“ Gerade, soviel sei hier schon verraten, arbeitet sie an einem variablen Shopper. Tikiwe® zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Taschen sehr gut durchdacht und variabel sind. So gibt es beispielsweise die Modelle „Wave“ und „Mini“ mit austauschbaren Klappen in verschiedenen Farben, so dass man mit ein und der selben Tasche immer wieder anders angezogen ist. Ein weiterer Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Die Tikiwe "Wave"  - weitere Farben verfügbar

Die Tikiwe "Mini" - weitere Farben verfügbar

Und auf Nachhaltigkeit achtet Irene immer. Sie verwendet nur Kork, der auf Stoff aufgezogen ist. Es gibt auch Kork auf Polyurethan. „Aber das ist nicht abbaubar, deshalb ein Widerspruch in sich. Aber das ist eben billiger.“ 

Doch Billigproduktion widerspricht Irenes Philosophie. Sie legt größten Wert auf Qualität und so kommt ihr Kork ausschließlich aus Portugal, weil das der qualitativ beste ist. „Meine Produkte haben eine preisliche Obergrenze, aber sind nicht billig“, sagt Irene. „Sie sind preiswert – nämlich ihren Preis wert.“ Nähen lässt sie die Taschen in Portugal. Die Suche nach einer Näherei in Deutschland war bislang noch nicht erfolgreich. Die Korkverarbeitung ist hierzulande noch nicht so verbreitet. „Die Portugiesen kennen sich damit einfach aus und die Wege sind immer noch relativ kurz“, sagt Irene. Sie arbeitet mit einer Näherei zusammen, die keine Zwangsarbeiter beschäftigt. „Die Arbeiter werden alle angemessen landestypisch entlohnt, das war mir wichtig. Auch das ist Nachhaltigkeit.“

Nachhhaltigkeit steht auf drei Säulen: Die Schonung der Umwelt, aber auch das Wohl von Mensch und Tier. Tikiwe® lebt das beispielhaft vor. Das Label ist PETA-zertifiziert, auch in den Klebstoffen wird kein Knochenleim verwendet. „Und“, betont Irene, „meine Taschen sind komplett recycelbar. Sollten sie irgendwann einmal kaputt gehen, könnte man den Kork zu Untersetzern oder Dämmstoff verarbeiten, aus dem Stoff kann man ebenfalls Dämmstoff machen oder ihn neu bespannen, die Metallteile können eingeschmolzen werden.“ Ihr Ziel ist das „Zero-Waste-Prinzip“. „Aber da bin ich noch nicht ganz, weil der Futterstoff derzeit noch aus 70 % Baumwolle und 30 % Polyester besteht. Beides ist nicht gut für die Umwelt. Daran arbeite ich noch, habe aber noch nichts gefunden. Aber ich denke über eine Lösung nach.“

Nachdenken – das ist etwas, was Irene fast ständig tut. Es kann sein, dass sie es sich vor dem Fernseher gemütlich macht und plötzlich eine Idee für ein neues Design hat. „Dann muss ich erstmal ein paar Tage darüber nachsinnen, dann setze ich mich hin und probiere“, erzählt sie. „Aber das dauert, weil ich ja auch den Schnitt erst entwerfen muss. Manchmal habe ich unglaublich tolle Ideen, die aber leider nicht umsetzbar sind. Dann trenne ich halt wieder auf“. Grinsend deutet sie auf ein kleines Gerät. „Das ist mein wichtigstes Tool – mein Auftrenner – ohne den wäre ich aufgeschmissen! Der muss manchmal mehr schuften als meine Nähmaschine“, lacht Irene. 

Der berühmte Auftrenner

Wenn die Mustertasche dann aber fertig ist, geht sie mit ihrem Schnitt, ihren Erklärungen und Farbwünschen an die Näherei. „Das kann dann sehr interessant werden, weil ich manchmal eine ganz andere Tasche zurück bekomme.“ Nach drei, vier Versuchen passt es aber und die Tasche kann in Produktion gehen. Bis es soweit ist, kann es ein halbes Jahr dauern.

Hie werden die Mustertaschen genäht

Bei Tikiwe® werden übrigens nicht nur die Damen fündig. Die Laptoptaschen, wie z.B. das allererste Modell „Business“, werden auch den Herren gerecht. Mittlerweile ist die Taschenkollektion schon recht groß geworden, eine kleine Schmuckkollektion kam dazu, die ebenfalls von Irene entworfen wird. Natürlich auch aus Kork mit einer nickelfreien Legierung.

Ein Teil der Tikiwe-Schmuckkollektion

Genauso vielfältig wie Tikiwe® selbst sind auch die Kaufmöglichkeiten. Wer gerne zu Hause in Ruhe auswählen möchte, vielleicht mit ein paar Freundinnen bei einem Gläschen Prosecco, kann Irene für eine Taschenparty buchen. Tikiwe®-Taschen gibt es mittlerweile auch in einigen Geschäften in der Schweiz, Österreich und im Osten Deutschlands. Seit 8. September 2018 hat Tikiwe® auch einen Onlineshop, über den man bestellen kann.

Für die Zukunft hat Irene auch noch sehr viel vor und arbeitet fleißig an neuen Modellen. Wichtig ist und bleibt für sie das „Slow Fashion"-Prinzip: Eine Kollektion, auf der man aufbauen kann, anstatt ständig neue Modelle kaufen zu müssen.

Designerin und Vertriebstalent mit viel Herzblut - von Irene Kirchhoff und Tikiwe® wird man noch viel hören und sehen!

https://tikiwe.com

  Fotos: privat (6), Tikiwe (3)